Training
Wenn Training nicht greift - weil der Hund zu schlau ist
Ein Blick auf kluge Hunde, echte Aufgaben und das Ende vom Schema F
Es gibt Hunde, die passen nicht in das klassische Bild des "trainierbaren" Hundes. Nicht, weil sie ungehorsam wären. Nicht, weil sie keine Bindung hätten. Sondern, weil sie zu schnell durchschauen, was gespielt wird.
Sie erkennen künstliche Übungssituationen. Sie entlarven Belohnungssysteme. Sie langweilen sich mit Wiederholungen. Und sie verweigern sich klassischen Trainingsmethoden nicht aus Trotz - sondern aus Einsicht.
Sie merken:
Das hier ist kein echtes Problem. Das ist eine gestellte Situation.
Und sie nehmen es nicht ernst. Ein solcher Hund ist kein Problemhund.
Er ist ein Partner mit eigener Urteilskraft.
Klassische Trainingsmethoden
Im Hundetraining dominieren heute Methoden, die auf Lerntheorie basieren - berechtigt, fundiert, oft wirksam. Sie haben eines gemeinsam: Sie arbeiten mit Wiederholung, Belohnung und Reiz-Reaktions-Schemata.
1. Positive Verstärkung
Die Standardmethode: Verhalten wird durch Belohnung verstärkt - Leckerli, Spiel, Lob. Funktioniert bei vielen Hunden (und auch bei Menschen) wunderbar.
2. Clickertraining
Ein zuerst neutrales Geräusch - der Klick - wird mit einer Belohnung verknüpft. Nach wenigen Wiederholungen lernt der Hund: "Wenn es klickt, habe ich etwas richtig gemacht und gleich gibt es etwas Gutes." Das macht es möglich, gewünschtes Verhalten punktgenau zu markieren, auch aus der Distanz oder mitten in der Bewegung. Es ist präzise, sauber und kontrollierbar.
3. Negative Verstärkung & Strafe
Zunehmend verpönt - zu Recht. Druck, Leinenruck, "Konsequenzen" bei Fehlverhalten. Wirkt manchmal schnell - aber bei klugen Hunden oft völlig sinnlos. Sie entziehen sich innerlich.
4. Shaping, Targettraining, Tricktraining
Feinmotorisch, intelligent aufgebaut, oft kreativ. Nur sinnvoll, wenn der Hund Bedeutung erkennt. Unsinnige Tricks verlieren schnell ihren Reiz - gerade für die klugen unter ihnen.
Und was ist mit Beziehung, Bindung, Vertrauen?
Diese Begriffe tauchen in fast allen modernen Konzepten auf - aber oft nur als Mittel zum Zweck. Die Bindung soll den Rückruf stärken. Die Beziehung soll die Kooperationsbereitschaft erhöhen.
Doch manche Hunde wollen nicht "kooperieren". Sie wollen verstehen. Und gebraucht werden.
Für sie ist Beziehung kein Werkzeug, sondern der Kern.
Und dann gibt es Hunde wie Lumpi
Lumpi ist blind. Und klug. Und eigenständig.
Wenn man mit ihm eine Übung durchspielen will - etwa einen Rückruf mit gestellter Ablenkung - erkennt er den Kontext sofort. Er weiss: Das ist nicht echt. Hier braucht mich gerade niemand wirklich. Das ist ein Spiel.
Und er steigt nicht ein.
Aber wenn etwas Unerwartetes geschieht - eine Person fehlt, ein Geräusch taucht auf, der Weg wird unsicher - dann ist er voll da. Wach, konzentriert, kooperationsbereit.
Und er folgt - wenn ich führe. Nicht weil er gehorcht. Sondern weil er entscheidet, dass ich in diesem Moment richtig liege.
Was solche Hunde brauchen
Sie brauchen keine bessere Technik. Sie brauchen Bedeutung. Und echte Verbindung.
1. Verbindlichkeit statt Belohnung
Ich habe bei Lumpi gemerkt: Er reagiert nicht auf Leckerli - zumindest nicht, wenn ich sie "nur fürs Training" einsetze. Wenn es mir nicht wirklich ernst ist, merkt er das. Dann bleibt er stehen, schaut mich an, und es passiert - nichts.
Aber wenn es drauf ankommt, wenn ich innerlich klar bin, weil etwas gerade wirklich wichtig ist, dann reagiert er sofort.
Nicht, weil ich ihn konditioniert habe - sondern, weil er spürt, dass es jetzt zählt.
Ich glaube, manche Hunde folgen nicht der Belohnung, sondern der Bedeutung, die wir in eine Handlung legen. Sie wollen wissen, ob wir es ernst meinen. Und das merkt man nicht an der Stimme oder der Körperspannung allein - sondern an der inneren Haltung. An dem, was zwischen uns passiert.
2. Kooperation statt Kommando
Lumpi ist kein Hund, der "Befehle" braucht. Wenn ich einfach "Platz!" rufe, nur weil ich es gerade üben will, schaut er mich an wie ein Kollege, der fragt: "Warum eigentlich?"
Aber wenn ich etwas mit ihm gemeinsam tun will, wenn ich ihn mit einbeziehe, dann ist er ganz da. Dann macht er mit - nicht, weil er muss, sondern weil er will. Ich sage dem Lumpi nicht Platz, sondern: "wir machen jetzt Pause".
Ob er Platz machen will, kann er selber entscheiden. Er liegt während der Pause am liebsten hin.
Ich habe gelernt, dass Zusammenarbeit bei Hunden wie ihm nicht bedeutet, dass er macht, was ich sage. Es bedeutet, dass wir gemeinsam eine Richtung finden - ich gebe Orientierung, er beteiligt sich. Und das funktioniert besser, wenn ich ihm vertraue, statt ihn "zu steuern".
3. Echte Aufgaben statt Simulation
Was für andere Hunde eine gute Übung ist, ist für Lumpi oft langweilig - oder sogar sinnlos. Er merkt sofort, wenn ich etwas nur "zum Trainieren" mache. Dann macht er nicht mit.
Aber wenn eine Situation echt ist, wenn ich z. B. wirklich Hilfe brauche, wenn wir eine Person suchen oder den Weg nicht finden - dann ist er sofort präsent.
Ich habe mich gefragt, ob Hunde wie Lumpi vielleicht einfach Kontext verstehen. Nicht nur Signale oder Abläufe - sondern Wozu? und Warum gerade jetzt?
Und ich glaube: Ja.
Sie reagieren, wenn sie gebraucht werden. Wenn sie merken, dass ihr Beitrag einen Unterschied macht. Nicht weil sie dafür ein Leckerli bekommen, sondern weil sie Teil des Ganzen sind.
4. Rituale statt Wiederholungen
Was für andere durch Wiederholung funktioniert - zehnmal Sitz, zwanzigmal Platz - braucht Lumpi nicht.
Ich habe gelernt, dass Rituale für ihn mehr Sicherheit geben als jedes Schema. Wenn wir regelmässig denselben Ablauf durchlaufen, denselben Tonfall benutzen oder ich sogar dieselbe Geste mache (wirkt sich wohl auf meine Stimme aus), dann entsteht etwas wie ein gemeinsamer Rhythmus.
Er versteht das nicht als "Kommando" - sondern als Teil unserer Beziehung.
Eine echte Situation, einmal erlebt, bleibt bei ihm viel stärker hängen als zwanzig Wiederholungen in künstlichem Kontext. Ich glaube, es geht dabei nicht um Dressur - sondern um das Gefühl: "So machen wir das zusammen."
Fazit: Nicht jeder Hund ist für jedes Training gemacht
Klassisches Training funktioniert - ja.
Aber bei manchen Hunden ist es nicht ausreichend, nicht weil es technisch versagt, sondern weil es keine Bedeutung transportiert.
Wenn ein Hund das Training durchschaut, ist das kein Fehler im Hund - sondern ein Hinweis. Ein Angebot.
"Ich bin bereit, mit dir zu leben - aber bitte ehrlich."
Manche Hunde folgen nicht dem Signal. Sondern nur dem Sinn.
Und das kann man nicht "trainieren" - aber man kann es zulassen.
Und daraus entsteht Beziehung. Vertrauen. Partnerschaft.
Etwas, das kein Clicker der Welt ersetzen kann.